Samstag, 27. April 2019

Helmut Mayer (1928 – 2019)

Helmut Mayer, 2013 (Frankfurter Buchmesse)

Laut Traueranzeige starb der Sammler und Philosoph Helmut Mayer am 18. April 2019 in Berlin. Merkwürdigerweise träumte ich zu diesem Zeitpunkt von einer Begegnung mit ihm. Wie immer trafen wir uns in einem Café oder Restaurant und es war ausgesprochen heiter und freundlich. Helmut Mayer war im Traum ungefähr 40 Jahre alt. 

Unsere regelmässigen Treffpunkte in den letzten 13, 14 oder 15 Jahren: das Wiener Café in Schmargendorf. Alteingesessener Neureichen- und Prominenten-Treff mit Halbwelt-Note. Hier verabredeten wir uns jahrelang bis zu einem Nachmittag im April 2016, an dem mir eine ganze Laptoptasche samt Ausweispapieren, Kreditkarten, Smartphone, Hausschlüssel und Künstlerbücher geklaut wurde. (Darunter auch ein Exemplar „Übermalung von Adolf Hitler“).

Als nächsten Treffpunkt wählten wir das Café im Schlosshotel Grunewald aus. Hier war es viel ruhiger als im Wiener Café, aber die Halbwelt war noch präsenter.

Zuletzt trafen wir uns regelmässig auf der Terrasse des Restaurants Machiavelli am Roseneck mit wunderbaren Blick auf dem Grunewald. Perfekt für uns, was Ruhe, Räumlichkeit und gastronomisches Angebot anging.

Und wir hatten noch Pläne: eine Fahrt nach Röcken zur Nietzsche-Gedenkstätte in Sachsen-Anhalt. Das war noch im Herbst 2017.

Helmut Mayer hatte immer Pläne. Und allmählich kannte ich seinen Lebensrhythmus: Ende Januar Mozartwoche in Salzburg. März: Leipziger Buchmesse. Im Sommer: Metzingen, Literaturarchiv Marbach, Sils-Maria, Nietzsche-Symposium oder philosophische Seminare in Lech. Im Oktober: Frankfurter Buchmesse. Und wenn er in Berlin war, war er immer unterwegs: Philosophische Vorträge, Dichterlesungen, Vernissagen, Konzerte, Buchmessen. Er ging morgens aus dem Haus und kehrte erst am Abend zurück. 

Im Scherz sagte ich einmal zu seiner Frau Gisela: „Wenn er nicht mehr unterwegs sein kann, wird er wahrscheinlich tot umfallen.“ Ich konnte mir einen Helmut Mayer, der nicht mehr reist, Künstler und Ausstellungen besucht, zu Kant, Hegel und Nietzsche nicht mehr recherchiert, einfach nicht vorstellen. Und dennoch schien es seit Ende letzten Jahres so zu sein. 

Er verließ das Haus nicht mehr selbstständig. Im November hatte ich die Idee, die „Schwarzen Hefte“ von Martin Heidegger für ihn als Künstlerbuch zu gestalten. Ich fand einen Index, den ich auf 750 Seiten generierte. Er besteht aus allen Begriffen, alphabetisch geordnet, die in den „Schwarzen Heften“ erscheinen sind. Jeder kann damit seinen eigenen Martin Heidegger erzeugen. Dazu zeichnete ich mit Goldstift auf schwarzem Papier und Leinen. Das beigelegte Blatt trägt den Titel „Heidegger für Heiden“. Es ist eigentlich ein typisches Helmut-Mayer-Buch. 

Eine Reaktion darauf habe ich nicht mehr von ihm bekommen. Seiner Sammler-Leidenschaft konnte er nicht mehr nachgehen. 

Ich bin froh, dass im letzten Jahr noch sein Band in der Reihe „Die Kunst des Sammelns“ erscheinen konnte und sein Neffe Dietmar Mayer ein Werk mit Beiträgen von über 70 Künstlerinnen und Künstler als Hommage an den Sammler zu seinem 90. Geburtstag zusammen getragen hat. Das sind nur kleine Ausschnitte, keine abschliessenden Repräsentationen. Eigentlich müsste man erst jetzt über ihn ausführlicher schreiben. 

Ohne ihn zu treffen, wollte ich weiter mit Helmut Mayer kommunizieren. Ich dachte daran, ihm philosophische Nachrichten mit Zeichnungen zukommen zu lassen. Natürlich ganz altmodisch als Brief. Vor drei Tagen begann ich mit einer Serie von Zeichnungen für das neue Diarium: Dazu schrieb ich Sätze von Philosophen ab. Gestern hatte ich die zweite Serie abgeschlossen. Die erste zitiert Arthur Schopenhauer: „Je mehr Gedankenstriche in einem Buch, desto weniger Gedanken.“ Danach folgt Kant: „Die Sinne betrügen nicht, weil sie gar nicht beurteilen.“ Heute kam die Nachricht von seinem Tod. Es fehlen noch drei weitere Serien. 

DIARIUM 4/2018

According to the obituary, the collector and philosopher Helmut Mayer died on 18 April 2019 in Berlin. Strangely enough, at this time I dreamed of meeting him. As always we met in a cafe or restaurant and it was extremely cheerful and friendly. Helmut Mayer was in my dream about 40 years old.

Our regular meeting places in the last 13, 14 or 15 years: Wiener Café in Schmargendorf. Long-established new oak and celebrity meeting with demimonde touch. Here we met for years until one afternoon in April 2016, when I was stolen a whole laptop bag including identity papers, credit cards, smartphones, house keys and artist books. (Including a copy "Overpainting Adolf Hitler").

As the next meeting point we chose the café in the Schlosshotel Grunewald. Here it was much quieter than in the Wiener Café, but the demimonde was even more present.

Most recently, we met regularly on the terrace of the restaurant Machiavelli by the  Roseneck with a wonderful view of the Grunewald. Perfect for us, what peace, space and gastronomic offer.

And we still had plans: a trip to Röcken to the Nietzsche memorial in Saxony-Anhalt. That was in the fall of 2017.

Helmut Mayer always had plans. And gradually I knew his rhythm of life: end of January Mozart Week in Salzburg. March: Leipzig Book Fair. In summer: Metzingen, Marbach Literature Archive, Sils-Maria, Nietzsche Symposium or philosophical seminars in Lech. In October: Frankfurt Book Fair. And when he was in Berlin, he was always on the move: philosophical lectures, poetry readings, vernissages, concerts, book fairs. He left the house in the morning and did not return until the evening.

In a joke I once said to his wife Gisela: "If he can no longer be on the road, he will probably drop dead.“ I could not imagine a Helmut Mayer, who no longer travels, visiting artists and exhibitions, no longer researching Kant, Hegel and Nietzsche. And yet it seemed like that since the end of last year.

He no longer left the house on his own. In November, I came up with the idea to design Martin Heidegger's "Black Notebooks" for him as an artist's book. I found an index that I generated on 750 pages. It consists of all the terms, arranged in alphabetical order, that appear in the "Black Notebooks". Anyone can thus create his own Heidegger. For this I drew with gold pen on black paper and linen. The attached sheet bears the title "Heidegger for Gentiles". It's actually a typical Helmut Mayer book.

I did not get any reaction from him anymore. He could no longer pursue his collector's passion.

I am glad that last year his volume could be published in the series "The Art of Collecting" and that his nephew Dietmar Mayer also composed a work with contributions from over 70 artists as a tribute to the collector on his 90th birthday has worn. These are only small extracts, no final representations. Actually, you would have to write about him in more detail now.

Without meeting him, I wanted to continue to communicate with Helmut Mayer. I thought about sending him philosophical messages with drawings. Of course quite old-fashioned as a letter. Three days ago I started with a series of drawings for the new Diary: I wrote sentences by philosophers. Yesterday I finished the second series. The first quotes Arthur Schopenhauer: "The more dashes in a book, the less thoughts." Then follows Kant: "The senses do not cheat, because they do not judge." Today came the news of his death. There are still three more series missing.



Freitag, 12. April 2019

Anna Hoffmann, Leverin



Anna Hoffmann, Leverin

„Schöne Geschichte, sehr atmosphärisch, genau hingeschaut, impressionistisch und meta gleichzeitig, lyrisch (wen wundert´s?). Man sieht, hört und riecht die Situationen, die Interieurs, die Gegend. Ich kenne zwar Leverin nicht, aber ich kenne Leverin. Und ich kenne die Leute nicht, aber ich kenne die Leute. Also: Well done, feiner Text…" 
(Thomas Wörtche)

Text von Anna Hoffmann mit sechs Zeichnungen von Hartmut Andryczuk.



Anna Hoffmann, Leverin

"Beautiful story, very atmospheric, looked closely, impressionist and meta at the same time, lyrical (who wonders?). One sees, hears and smells the situations, the interiors, the area. I do not know Leverin, but I know Leverin. And I do not know the people, but I know the people. Well, well done, fine text ... "
(Thomas Wörtche)

Text by Anna Hoffmann with six drawings by Hartmut Andryczuk.

Hybriden-Verlag
Series: MMM-EXTRA NR. 35
Edition: 30 copies
350 €

Merkur



Ulrich Woelk, Merkur

„Sie hatten den Merkurboden systematisch angebohrt und in der Tiefe mit Ultra-schallsonden nach Eis gesucht. In einem kleinen Permaschattenkrater mit dem seltsamen Namen Lady Gaga waren sie schließlich fündig geworden. Fünfzehn Meter unter der Oberfläche stießen sie auf einen Eisflöz und entnahmen ihm eine Probe. Deren chemische Analyse ergab für den Flöz ein Alter von sagenhaften vier Milliarden Jahren. Damit schlugen sie vergleichbare Eisab-lagerungen auf dem Mond oder Enceladus um ein paar hundert Millionen Jahre. Dieses Wasser, gerieten meine Gastgeber ins Schwärmen, stammte aus der absoluten Frühzeit des Sonnensystems, gleichsam aus seiner Embryonalphase, als noch Aber-milliarden von Staub-, Fels-, und Eisbrocken um die Sonne schwirrten und durch permanente Kollisionen zu den heutigen Planeten verklumpten. Und nachdem sie mir das alles erklärt hatten, öffneten sie die Flasche und gossen mir ein Glas von dem uralten Wasser ein. Das vermutlich älteste Getränk, das ich vordem zu mir genommen hatte, war ein ziemlich schwerer Château-Mao, Jahrgang '84, gewesen, den mein Großvater zu seinem Hundertsten entkorkt hatte. Ich überlegte eine Sekunde, ob vier Milliarden Jahre altes Wasser überhaupt noch genießbar war, aber die Wissenschaftler machten nicht den Eindruck, als wollten sie mich vergiften. Ich trank also artig das Glas aus und nickte. Das Wasser hatte geschmeckt wie – Wasser. Erstaunlich, dachte ich, woran Wissenschaftler so ihre Freude haben.“



Text von Ulrich Woelk mit zehn Zeichnungen von Hartmut Andryczuk.



Ulrich Woelk, Mercury

"They had systematically drilled the mercury bottom and searched for depths with ultrasound probes for ice. In a small shadow crater with the strange name Lady Gaga they had finally found something. Fifteen feet below the surface, they struck an ice seam and sampled it. Their chemical analysis revealed that the seam was an incredible four billion years old. They beat comparable ice deposits on the moon or Enceladus by a few hundred million years. This water, my hosts swarmed, came from the very early days of the solar system, as it were from its embryonic phase, when still billions of dust, rock, and ice churned around the sun and clumped by permanent collisions to the present planet. And after explaining everything to me, they opened the bottle and poured me a glass of the ancient water. Probably the oldest drink I'd ever eaten had been a rather heavy Château-Mao, vintage '84, which my grandfather had uncorked to his hundredth. For a second, I wondered if four billion years old water was even edible, but scientists did not seem to want to poison me. So I drank the glass nicely and nodded. The water tasted like - water. Amazing, I thought, what scientists are so happy about. "

Text by Ulrich Woelk with ten drawings by Hartmut Andryczuk.

Hybriden-Verlag
Series: Bookart
Edition: 30 copies
550 €

HEIDEGGER, SCHWARZE HEFTE – EIN INDEX



HEIDEGGER, SCHWARZE HEFTE – EIN INDEX

„Wörterbücher sind deshalb, wenn sie zum Auslegen gebraucht werden, so unentbehrlich, wie sie gefährlich sind.“ 
(Martin Heidegger,1948).

Worte: 37656, Seitenzahl: 740. Originalzeichnungen und Einbandbemalung von Hartmut Andryczuk sowie ein beigelegtes Blatt „Heidegger für Heiden“. 


HEIDEGGER, BLACK STUFF - AN INDEX

"Dictionaries are therefore as indispensable as they are to be used when laying out them, as they are dangerous."
(Martin Heidegger, 1948).

Words: 37656, page number: 740. Original drawings and cover painting by Hartmut Andryczuk and an enclosed sheet "Heidegger for Gentiles".

Hybriden-Verlag
Series: Bookart
Edition: 3 copies
(sold out)