Sonntag, 5. Juni 2022

Ulrich Woelk, Uranus

Ulrich Woelk

Uranus

Planetenschreiber 4



Im Terminal war nichts los. Ich schlenderte zur Bar, bestellte ein Bier und erkundigte mich nach den Abflugzeiten des Atmosphärenshuttles. Der Wirt trug Jeans, Westernstiefel und eine abgewetzte Lederweste. Seine Haare quollen unter einem speckigen Cowboyhut hervor, und um seinen Hals baumelte aus irgendwelchen Gründen eine Mundharmonika. Er musste ein Faible fürs späte zwanzigste Jahrhundert haben, überlegte ich mir, und für die bis heute unerreichten, von allen Jungregisseuren wie meinem Freund Blumenbad Bingo rauf und runter studierten Filmkunst-Epen aus dieser Zeit, die damals eigenartigerweise Spaghetti-Western hießen. (Blumenbad nimmt an, wegen der kunstvoll verschlungenen Handlungsfäden dieser Meisterwerke.)


Der Wirt schob mir ein Bier über den Tresen, sah mich mitleidig an und meinte: „Vielleicht geht in zwei Tagen ein Shuttle. Wenn Sie Glück haben.“

„In zwei Tagen? Wieso das denn? Im Prospekt hieß es, dass täglich mehrere Verbindungen nach Uranopolis abgehen.“ 

„Na klar. In der Saison.“

„Was für einer Saison?“

„Mittsommer. Sie waren wohl noch nie hier.“

„Ich bin der neue Planetenschreiber.“

„Planetenschreiber. Na, meinetwegen.“

„Und was ist das Besondere an der Saison?“

„Die Doppel-William-Festspiele.“

„Die … was?“


Er sah mich mit dem üblichen Missmut aller Hinterwäldler gegenüber Fremden an, war aber bereit, mir Auskunft zu geben. „Wir verehren hier zwei große Williams: Herschel und Shakespeare. Der eine hat unser Planetensystem entdeckt, und nach dem anderen sind unsere Monde benannt. Shakespeare müssten Sie als Schreiberling doch kennen. Er hat‘n Stück geschrieben, das heißt Der Sommernachtstraum. Darin gibt es eine Titania, eine Elfenkönigin, nach der der Mond hier benannt ist, auf dem Sie gerade Ihr Bier trinken.“



Swinger-Club auf Puck

There was nothing going on in the terminal. I strolled to the bar, ordered a beer and inquired about the departure times of the atmosphere shuttle. The host wore jeans, western boots and a scuffed leather vest. His hair spilled out from under a scruffy cowboy hat, and a harmonica dangled around his neck for some reason. He must have had a soft spot for the late twentieth century, I reasoned, and for the still-unrivaled cinematic epics from that era, studied up and down by all the young directors like my friend Blumenbad Bingo, then oddly called spaghetti westerns. (Blumenbad assumes because of the artfully intertwined plot threads of these masterpieces.)


The innkeeper slid a beer across the counter, gave me a pitying look, and said, "Maybe a shuttle will leave in two days. If you're lucky."

"In two days? Why is that? The brochure said there were several services leaving daily for Uranopolis." 

"Well, sure. In season."

"What season?"

"Midsummer. You've probably never been here before."

"I'm the new planetary scribe."

"Planetary scribe. Well, because of me."

"And what's special about the season?"

"The double William pageants."

"The ... what?"


He looked at me with the usual displeasure of all backwoodsmen toward strangers, but was willing to give me information. "We worship two great Williams here, Herschel and Shakespeare. One discovered our planetary system, and our moons are named after the other. As a writer, you should know Shakespeare. He wrote a play called A Midsummer Night's Dream. In it, there's a Titania, a queen of the fairies, after whom the moon here on which you're drinking your beer is named."


Künstleredition mit sechs großformatigen Zeichnungen von Hartmut Andryczuk


Edition: 30 copies

650 €




2321945

Hartmut Andryczuk

2321945

Unikat-Künstlerbuch


Künstleredition zur Bombardierung von Pforzheim am 23. Februar 1945. "Bei dem nur 22 Minuten dauernden Angriff von 379 Bombern der Royal Air Force wurde über ein Fünftel der Einwohner getötet – mehr als in jeder anderen Stadt in Deutschland zu jener Zeit". 


Sechzehn Zeichnungen
Auftrag für Privatsammlung