Dienstag, 21. Januar 2025

der mensch ist diese nacht

michael lentz

der mensch ist diese nacht


mein kreas augenglut und aufschub ach könnte ich
im sichtbarwerden verschwinden chora sein ich hieße
immer anders dass du mich nicht mehr brennst und nicht

benennst denn name heißt ablage marke wiederholung
den eigenen auszusprechen hat mutter mir untersagt
er ist ihr sonntagsstaat ihr halfter zaoum- und halbzeug

insistiert auch der gerufene name in mir
als bloßes zeichen das jede vorstellung beherrscht
und sinkt hinab in den unbegriffenen kern der streuung

der umschrift und löschung gibt es mich doppelt als selbst und schmelze
in mein eigen lagert sich kein name ab 

nur stimmen stunden ōra sonne immer anfangs

nur hyle sein und amorphon vor lauter liebe
kein anspruch kein verspruch kein freispruch kein vorspruch kein kernspruch kein zuspruch
mutters zärtlichen händen ein versiegeltes relief


(...)



Gedicht von Michael Lentz.
Mit zehn Originalzeichnungen von Hartmut Andryczuk

Buch als Leporello, zwanzig Seiten, signiert

Zeichnung als Beilage


Auflage: 30 Exemplare
600 €

Sonntag, 1. Dezember 2024

Grabstätte für einen Marienkäfer

MMM-DIARIUM 2/2024 

Grabstätte für einen Marienkäfer


Diarium von Hartmut Andryczuk vom 1. Mai bis zum 31. Juli 2024. Ereignisse: WERKCHEN A & B. Drachentodmappe, milliliter meer. Toilettenaufsatz zu verschenken. Celle – im Fachwerkrausch. Bomann-Museum & Sammlung Robert Simon. Tod Reinhard Moeller, 25. Mai. ALOA ALOA ALOA. Notebook aus Katzengold. Nitrophenol-Löwe nahe der Möbeltischlerei. Rund um den Schweinedeich. Dauerlauf im Dauerregen. Elektrische Kaffeemühle & Karl Lagerfeld Aktentasche. Babylon Transit mit Anna Hoffmann im Studio 24, Schöneberg. Polarstern (Mac Book Air). In a Landscape (John Cage) – für Reinhard Moeller, St. Pius- und St. Hedwig-Friedhof, Alt-Hohenschönhausen. IMMATERIALIST, Blog für rm. Nachbarn & Nachbarinnen 1 & 2. 

Malerei, Collage von Jorge Herrera Fuentealba

Originalarbeiten von:

Jorge Herrera Fuentealba

Ricardo Rojas Milesi & Matilde Díaz L

Hartmut Robert Andryczuk

Egon Günther

Freddy Flores Knistoff


Gedicht mit Linoldruck von Egon Günther


Auflage: 30 Exemplare

300 €

Mittwoch, 25. September 2024

Grönlandmelodien

Egon Günther

Grönlandmelodien


"die grönlandaufzeichnungen sind aus hartmut geerkens ,found footage memorabilia': spule eins, zwei & drei (hart im raum, leicht beieinander, diese eine bewegung), waitawhile herrsching 2019 - 2022, die beiden gedichte aus hartmut geerkens ,kyrill'. gedichte 1959-1961, waitawhile herrsching 2007.

titeletikette ,at the gathering of the polar spirits & stempeldrucke: egon günther, diessen am ammersee, 2024."


"wolken

eisberge in jenseitigen meeren

segeln gleichsam möven durch das all

die palmolivenseifenschaumgebilde im kobaltbecken des barbiers

sie schwimmen in dem meer

wie ehrgebietende ahnen

sie schwimmen als wollten sie beschützen

durch den glauben der erkenntnis die verseuchte erde

oft dringt zwar ein strahl hindurch wenn die sonne sendet

bahnen glitzernd hellen lichts auf unsere dummheit

die die boten reflektiert

& starrsinnig konferenzen führt"

(Hartmut Geerken)



"ich weiss nicht, wie ich es sagen soll. es ist etwas, was man kaum formulieren kann. der zustand, in den mich die inuitgesänge bringen, ist mit sprache kaum annäherungsfähig. es ist heute noch etwas da, was fast vor dem anfang der sprache da war. deshalb ist es auch so problematisch, hier mit sprache zu jonglieren. die frühen tonaufnahmen der fast verblichenen gesänge der polarkreisvölker aus dem anfang des zwanzigsten jahrhunderts, das sind die letzten reste der klänge, die aus der altsteinzeit zu uns herüberschweben, die der venus von willendorf & der vom hohle fels die brüste liebkosten, das sind die töne, die aus den löchern der gänsegeierknochenflöte vom hohe fels kamen oder der schwanenknochenflöte aus der geissenklosterlehöhle, mit diesen klängen wurde der mammutknochenlöwenmensch aus dem lonetal besungen & bespielt, bis es den amerikanischen pearys endlich gelang, auch diese kulturen der polarkreisvölker mit nadeln, waffen & eisen zu zerstören. eine der ältesten durchgehenden musikkulturen ist das japanische hoforchester mit einer ununterbrochenen tradition von etwa viertausend jahren. das war die zeit der pharaonen. aber die gesänge der inuit & aboriginals sind über zehnmal älter! wie könnte man dem mit sprache überhaupt begegnen?"

(Hartmut Geerken)


MMM-Extra Nr. 42

Auflage: 8 Exemplare, nummeriert und Signiert

300 €

Mittwoch, 28. August 2024

Kinästhetik bei Saturn

MMM-DIARIUM 1/2024

Kinästhetik bei Saturn


Themen: Der Kopf des Vitus Bering – Freigangstrecken 1 bis 3 – Normative Kunstkatalogsprachen – Stadtbad Wilmersdorf II mit AWTM&F (Alte weiße tätowierte Männer & Frauen) – "Requiem" mit Sandra Hüller – Telefongespräch mit Reinhard Moeller: Plattenepithelkarzinom nach dritter Chemo verschwunden – Index Vitus Bering: Aufrecht im Eismeer – Buntspecht im Coronawald – ALOA ALOA ALOA – Grüße vom Titan von Ulrich Woelk – Titan, natur mit Adore June Handytasche Classic Recycled Schwarz (erworben) – Besuch von Reinhard Moeller in Brauntönen – Thomas Melle, 3000 Euro – Mit BirdNet durch die Kleingartenkolonie – Peppenhöchstädt – Plastikfieber in der Vierten Welt.


Diarium von Hartmut Andryczuk vom 1. Februar bis 30. April 2024.

Originalarbeiten von:

Egon Günther

Freddy Flores Knistoff

Thomas Glatz

Patricio Álvarez Aragon

Hartmut Andryczuk


Topics: The head of Vitus Bering - Freigangstrecken 1 to 3 - Normative art catalogue languages - Stadtbad Wilmersdorf II with AWTM&F (Old White Tattooed Men & Women) - ‘Requiem’ with Sandra Hüller - Telephone conversation with Reinhard Moeller: Squamous cell carcinoma disappeared after third chemo - Index Vitus Bering: Upright in the Arctic Ocean - Great Spotted Woodpecker in the Corona Forest - ALOA ALOA ALOA - Greetings from Titan by Ulrich Woelk - Titan, natural with Adore June mobile phone case Classic Recycled Black (acquired) - Visit from Reinhard Moeller in shades of brown - Thomas Melle, 3000 Euro - With BirdNet through the allotment garden colony - Peppenhöchstädt - Plastic fever in the Fourth World.



Drawing by Freddy Flores Knistoff


Auflage: 30 Exemplare

300 €

Montag, 26. August 2024

WERKCHEN A & B

Hartmut Robert Andryczuk

WERKCHEN A & B

Monolog

Sind denn diese WERKCHEN A-Zeichnungen singulär oder Bestandteil von anderen Künstlerbuch- oder Editionsreihen?


In der Mehrzahl sind sie singulär. Manchmal sind sie auch Originalentwürfe zu anderen Künstlerzeitschriften. Eines (Nr. 59, BIRD EATING SPIDER, WERKCHEN A) wurde als Cover einer Literaturvideokassette der Galerie Paranorm verwendet. Ab 1992/1993 bekam ich ja immer mehr Zugang zu diesen Netzwerken. Das System war in den 1990er Jahren und darüber hinaus immer ähnlich. „Stelle 20, 30 oder 50 Zeichnungen her, signiere und nummeriere sie und sende sie dann zu. Honorar gab es nicht, aber ein Belegexemplar mit den Originalarbeiten aller anderen Künstlerinnen und Künstler“.


Kunst umsonst ist geschenkt?


Geschenkt ist das nicht. Manche Künstlereditionen oder -zeitschriften haben im Laufe der Zeit ja einen größeren Wert entwickelt. 


Gibt es ein Lieblingswerk aus WERKCHEN A


Vielleicht Nr. 39 ZYKLOP (B). Hermes Phettberg aus Wien mochte diese Zeichnung sehr, obwohl dort Zyklop handschriftlich falsch geschrieben wurde. Dort steht ja „ZYKLOB (B)“. Vielleicht wäre dieser Titel sogar besser. 


Welche Zeichnungen und Texte erscheinen dir heute schlecht? In welchen Bildern erkennst du dich kaum noch wieder?


WERKCHEN A & B hat schon einige schlechte Bilder. Nr. 53, IRRGÄRTCHEN aus WERKCHEN A ist schon ziemlich schlecht. Desweiteren Nr. 34 und Nr. 55. Nr. 47 Stier stur ist mir fremd, überrascht mich aber. Nr. 35 ist merkwürdig und erinnert mich an einen reaktionären Kunstlehrer auf der Realschule, der einen Backenbart trug und fortschrittlich tat. Der meinte immer, dass ich etwas anderes ausdrücken wolle als ich ausdrücken würde. Irgendwie erinnert mich Nr. 35 an diesen Lehrer.


Are these WERKCHEN A drawings unique or part of other artist book or edition series?


Most of them are unique. Sometimes they are also original designs for other artists' magazines. One (No. 59, BIRD EATING SPIDER, WERKCHEN A) was used as the cover of a literary video cassette for the Paranorm Gallery. From 1992/1993 I got more and more access to these networks. The system was always similar in the 1990s and beyond. “Produce 20, 30 or 50 drawings, sign and number them and then send them. There was no fee, but a specimen copy with the original works of all the other artists”.


Art for free is a gift?


It is not a gift. Some artists' editions or magazines have developed a greater value over time. 


Is there a favorite work from WERKCHEN A


Perhaps no. 39 ZYKLOP (B). Hermes Phettberg from Vienna liked this drawing very much, although Zyklop was misspelled by hand. It says “ZYKLOB (B)”. Perhaps this title would be even better. 


Which drawings and texts seem bad to you today? In which pictures do you hardly recognize yourself?


WERKCHEN A & B already has some bad pictures. No. 53, IRRGÄRTCHEN from WERKCHEN A is already pretty bad. Also No. 34 and No. 55. No. 47 Stubborn Bull is strange to me, but surprises me. No. 35 is strange and reminds me of a reactionary art teacher at secondary school who wore a whisker and acted progressive. He always said that I wanted to express something other than what I was expressing. Somehow No. 35 reminds me of this teacher.



Künstleredition/Katalog  mit Zeichnungen aus den 1980er und 1990er Jahren sowie der Beigabe Logbuch unzuverlässiger Erinnerungen (1988 – 1995) und zehn Originalarbeiten. 

WERKCHEN A – Drachentodmappe
Zweiundsiebzig Abbildungen, Titel, handschriftliche Nummerierung

WERKCHEN B – milliliter meer
Sechsundsechzig Abbildungen, Titel, handschriftliche Nummerierung

Monolog, Begleittext, Formatangaben (deutsch/englisch)

Katalog: 154 Seiten
Logbuch unzuverlässiger Erinnerungen (1988 – 1995): 10 Seiten


Logbuch, 2024

Artist's edition/catalog with drawings from the 1980s and 1990s as well as the addition of a logbook of unreliable memories (1988 - 1995) and ten original works. 

WERKCHEN A - Dragon Death Portfolio
Seventy-two illustrations, title, handwritten numbering

WERKCHEN B - milliliter sea
Sixty-six illustrations, title, handwritten numbering

Monologue, accompanying text, format information (German/English)

Catalog: 154 pages
Logbook of unreliable memories (1988 - 1995): 10 pages

Auflage: 30 Exemplare

600 €


Samstag, 29. Juni 2024

Babylon Transit

Anna Hoffmann

Babylon Transit 

Polaroid von Anna Hoffmann, 2023

Babylon, das antike, jedenfalls kurz über dem Erdboden, echt alte Babylon, begann der deutsche Architekt und Bauforscher Robert Koldewey 1899 auszugraben, 1917 endeten die Arbeiten mit dem Einmarsch der britischen Truppen in Bagdad im Zuge des Ersten Weltkrieges. 10 % der Anlagen wurden bisher freigelegt. Die gut erhaltenen über zweitausend Jahre alten Ziegel trugen Einheimische gern zum Bau eigener Häuser ab in den vier Dörfern rechts und links des alten Babylon, ein anderer großer Teil des antiken Materials wurde in den Bau von Staudämmen integriert, erzählte mir ein Babylonier. Und Saddam Hussein ließ die antiken Funde aufmauern, natürlich nicht ohne analog zum König Nebukadnezar II. im Ischtar-Tor, eine Inschrift mit seiner Ruhmestat in etlichen der neuen Ziegel reinzuklotzen. Die Kopie des Tors, das echte steht ja im Pergamon-Museum in Berlin, wurde von Norden nach Süden verlegt, als Eingang für die Besucher des Südpalastes. Trotz aller Gedanken über echt-alt-neu-und-Kopie ist Babylon ein erhabenes, majestätisches und faszinierendes Zeugnis alter Hochkultur. Und tatsächlich kann man auf dem Gelände einfach so tausende Jahre alte gemusterte Scherben finden und Stücke mit der schwarzen Glasur von Vorratsbehältern, umso schwerer diese kleinen Wunder nicht in die Hosentasche gleiten zu lassen. Es ist aber keine gute Idee dafür irakisches Gefängnis zu riskieren. Ich habe die beiden Stücke fotografiert und nicht mehr auf den Boden gekuckt. Es war mir arg. Der Guide, ein Babylonier, schenkte mir als Trost ein Souvenir, einen Behang von dem Kronleuchter aus Saddams Schlafzimmer in dem gestürmten Palast, der in Sichtachse zur antiken Fundstätte steht. Ein seltsames Souvenir, es lag mir in der Hand wie ein vergammelter Backenzahn. 

The German architect and building researcher Robert Koldewey began excavating Babylon, the ancient Babylon, at least just above the ground, in 1899. Work ended in 1917 with the invasion of Baghdad by British troops during the First World War. 10% of the site has been uncovered so far. The well-preserved bricks, which are over two thousand years old, were used by locals to build their own houses in the four villages to the right and left of ancient Babylon, and another large part of the ancient material was used to build dams, a Babylonian told me. And Saddam Hussein had the ancient finds bricked up, of course not without inscribing an inscription with his glorious deed in some of the new bricks, just like King Nebuchadnezzar II in the Ishtar Gate. The copy of the gate, the real one is in the Pergamon Museum in Berlin, was moved from the north to the south as an entrance for visitors to the South Palace. Despite all the thoughts about real-old-new-and-copy, Babylon is a sublime, majestic and fascinating testimony to ancient civilization. And indeed, just like that, you can find thousands of years old patterned shards and pieces with the black glaze of storage jars on the site, all the harder not to let these little wonders slip into your pocket. But it's not a good idea to risk Iraqi prison for it. I photographed the two pieces and stopped looking at the ground. I was sick of it. The guide, a Babylonian, gave me a souvenir as a consolation. A hanging from the chandelier from Saddam's bedroom in the stormed palace, which is in line of sight with the ancient site. A strange souvenir, it lay in my hand like a rotten molar. 


insuffizienz


ich versteh nichts, gar nichts, nicht mal die fahrt vom flughafen zum hotel. 

nicht die schlafriesen, die mit ihren wimpern gebete klimpern. nicht den mond 

über bagdad, der den muezzin ruft, nicht den muezzin, der leuchtbuchstaben 


sendet, nicht die krähen in den mg-nestern, nicht die hühner und auch nicht 

die palmen im smog. ich sammel ihre geisterflecken ein: abdrücke von träumen

in der luft. sammle nicht lesbare häuserzeilen – legenden ohne erklärung –


arabische spitze, jenes biegsame licht, das sich um meinen hals legt.

notiere „hochzeiten unten, puff oben, dazwischen die dichterInnen“ im hotel al-mansur 

und „die stadt ist reich an details der zerstörung“, „der tigris gestresst“


und ich kritzel, was mich kitzelt und andauernd pocht es als ob – ob – ob

ja ich weiß, es ist besser, ich halte die hand vor den mund, wenn ich rede.

ich verstehe nichts.



insufficiency


i understand nothing, nothing at all, not the journey from the airport to the hotel,

or the sleeping behemoths batting their eyelash prayers, or the moon

over baghdad calling the muezzin, or the muezzin broadcasting


luminous letters, or the crows in the machine gun nests, or the chickens

or even the palm trees in the smog. i gather in their ghostly blotches: imprints left by dreams

in the air. gather unreadable rows of houses. map – legends without their explanations – 


arab lace, that pliable light reclining around my neck.

make notes: “weddings downstairs, brothel upstairs, between them the poets” in the hotel al-mansur

and “the city is rich in details of destruction”, “the tigris under stress”


and i scribble down what’s niggling at me and it constantly pulsates as though – though – though

yes i know, it’s better if i put my hand over my mouth when i speak.

i understand nothing.


56 Seiten, gebunden


Text, Gedichte, Polaroids: Anna Hoffmann

Zeichnungen: Hartmut Robert Andryczuk

Übersetzung der Gedichte ins Englische: Catherine Hales


Auflage: 30 Exemplare,

nummeriert und signiert


450 €